Weinrallye #92: Farbe bekennen

Die Weinrallye ist ein derzeit monatlich stattfindendes Blogevent. Jeweils ein anderes Blog bestimmt ein Thema und ruft die Blogosphäre dazu auf, zu diesem Thema einen Artikel zu verfassen. Sinn und Zweck einer Weinrallye ist einzig und alleine der Spass und die Motivation schöne Themen aufzuarbeiten.

 

Weil das Thema dieser Weinralley so schön vielseitig und gleichzeitig nichtssagend ist, will ich es heute erstmalig versuchen. Mein Blog ist ja eigentlich gar kein richtiger Blog, sondern eher ein Tagebuch…

Aber was ist schon ein richtiger Blog? Als ich mit meinem vor eineinhalb Jahren startete kannte ich eigentlich nur den Begriff und hatte kaum je einen Blogbeitrag gelesen (Dirk Würtz verzeihe mir :-)!) . Aber ich wusste, dass man mit einem Blog relativ leicht Artikel online bringen kann. Und da die Homepage unseres neu erworbenen Weinguts irgendwie gar nicht zu Urban und mir passte, nahm ich mir fest vor einen Blog zu schreiben, um der Homepage einen individuellen Touch zu geben. Da der Blog sich auf der Homepage selbst nicht so leicht realisieren lies entstand dann diese Webseite und die alte Homepage wurde bald schon abgestellt.

Der zweite Grund für meinen Blog war, dass ich mir einbildete als passionierte Tagebuchschreiberin auf dieses fortan verzichten und die wahnsinnig spannenden, aufreibenden und auch glücklichen Momente unseres Neubeginns allen interessierten Freunden, Bekannten und Kunden auf diesem Weg näher bringen könne. Dass Tagebuch und Öffentlichkeit von Natur aus nicht zusammenpassen, das habe ich erst allmählich begriffen. Und damit bin ich beim Thema. Farbe bekennen….

Mein Tagebuch habe ich immer in dem Bewusstsein geschrieben, dass es zwar nicht für fremde Hände gedacht war, aber wenn sich jemand an meinen Tagebüchern vergreifen sollte, dann wäre dieser/diese selbst dafür verantwortlich mit dem Gelesenen und dem Wissen über die „wahre Eva“ umzugehen. Zu fürchten hatte ich da nichts, denn selbst wenn ich in meinen Einträgen irgendetwas „delikates“ geschrieben habe, hätte ja niemand mich öffentlich anzeigen oder verurteilen können ohne sich selbst zu offenbaren, meine Tagebücher gelesen zu haben…

Anders ist das mit einem Blog. Hier gilt es entweder „Farbe zu bekennen“ oder sehr gut abzuwägen, was man schreibt und was nicht. Zumindest mir geht es (noch) so und wahrscheinlich deshalb, weil ich mich in dieser öffentlichen Welt noch nicht zu Haus fühle. Und auch deshalb weil ich immer wieder völlig perplex war und noch bin, mit welchen Befindlichkeiten auf irgendwelche Verlautbarungen (von mir oder auch von anderen – private wie auch öffentliche) die völlig anders gemeint waren, von dritter Seite reagiert wird. Und schließlich bin ich ein sehr unpolitischer Mensch, da ich nur dann Partei ergreifen kann, wenn ich das Gefühl habe ALLES zu durchblicken. In politischen Fragen werde ich niemals auch nur annähernd alles durchblicken, also halte ich mich raus – zumindest was die große Weltpolitik angeht. Diese wird also niemals Thema meines Blogs werden und außer einem „Facebook Like“ bei Artikeln, die mir aus dem Herzen sprechen, werde ich nicht in öffentlichen Foren zu politischen Themen Stellung beziehen.

Nein, ich meine nicht die große Weltpolitik, sondern mich beschäftigt seit Beginn meiner „Winzerkarriere“ die klitzekleine Welt der Winzer und ihre (d.h. auch meine) Politik des Umgangs mit der Öffentlichkeit. Über welche Erfahrungen, Freuden, Ängste und auch Niederlagen „darf“ ich schreiben. Was gehört sich und was gehört sich nicht. Was hilft mir und gefällt meinen Lesern und Kunden und was schadet mir bzw. schadet dem Weinguts Image und letztlich dem Verkauf. Und ganz interessant in diesem Zusammenhang ist für mich die Frage: Was bzw. wie viel von der Wirklichkeit erzählen andere Winzer, was lassen sie weg, wo übertreiben sie, wo ignorieren sie und wo sind sie komplett authentisch und wahrhaftig?

Und wie authentisch und wahrhaftig bin ich und will ich sein in meinem Blog? Immer schön über die heile Welt der Erfolge und spannenden Erfahrungen berichten, oder auch mal darüber, dass ein Holzfass nach dem anderen undicht wird, dass ein zugekaufter Wein wegen flüchtiger Säure keine AP Prüfung bekommt oder dass die deutsche Bürokratie und Steuerpolitik besonders einem Schweizer Bürger den letzten Nerv und viel Motivation rauben?

Die Antwort auf diese Fragen kann nur ich selbst mir geben und zwar dann wenn ich genau definiert habe, warum und für wen ich meinen Blog schreibe. Tue ich es aus einem inneren Bedürfnis, und / oder aus Marketinggründen? Wollen / sollen unsere Kunden den Blog lesen oder unsere Freunde? Und schließlich, was wollen unsere Kunden lesen? Letzte Frage lässt sich sicher nicht so einfach beantworten. Es gibt viele Kunden, die mit uns fiebern, freuen und leiden und unser Abenteuer mit großer Empathie begleiten. Aber es gibt auch viele Kunden, die einfach nur guten Wein kaufen wollen, von einem Weingut an dessen Erfolgsgeschichte sie teilhaben.

Wahrscheinlich können wir Alles für Alle bieten, wir müssen es nur Jedem leicht machen, die Informationen und Emotionen zu finden und zu erfahren, die Jeder sich wünscht. Sei es auf einer stylischen Landing-Page, im Blogg, auf Facebook (tummeln sich da überhaupt Kunden von uns?) oder ganz konventionell und immer noch am wirkungsvollsten bei einem Besuch im Weingut. So einfach ist es (theoretisch) „Farbe zu bekennen“…

Was meinen Sie/ was meint Ihr dazu?