Montag, 5. September 2022
Während Winzer der südlichen Hemisphäre den Jahrgang 2022 schon auf die Flasche bringen, da fängt bei uns hier im Rheingau erst die Weinlese an. Und doch ist es die bisher früheste Weinlese aller Zeiten. Nur in 2018 wurde ähnlich früh mit der Lese begonnen.
Die Weinrebe ist wahrlich eine Wunderpflanze. Seit Anfang Juni hat es hier nicht mehr nennenswert geregnet und doch sehen die meisten Weinberge in Hattenheim noch wunderbar saftig grün aus. Wir mussten lediglich eine Junganlage von 2014, die auf etwas sandigerem Boden steht, etwas bewässern, aber die schweren Lös-Lehm geprägten Böden haben offensichtlich immer noch tiefgründige Wasserspeicher, welche die Reben gut versorgen. Aber natürlich sind wir sehr gespannt, wie hoch die Saftausbeute am Ende sein wird.
Biologische angebaute Weintrauben sind von Haus aus etwas kleinbeeriger und haben festere Traubenhäute, so dass der durchschnittliche Ertrag im Bioanbau bereits etwas niedriger ist, als beim konventionellen Anbau. Insofern hoffen wir, dass die Trockenheit zu nicht noch größeren Ernteeinbußen führt.
Heute jedoch ist Urban erst mal sehr glücklich über den in Hallgarten mit 95 Grad Oechsle gelesenen Pinot Noir. So darf es weiter gehen.
Mittwoch, 7. September
Das Wetter ist seit ein paar Tagen etwas unbeständig und gestern Abend sowie in der Nacht gab es leichte Gewitter mit ca 6 Liter /qm² Regen. Kein Regen um diese Zeit wäre uns lieber, denn feucht-warmes Klima ist nicht gut für die Trauben. Aber wenigstens kühlt es in der Nacht schön ab, so dass noch keine Gefahr in Verzug in punkto Fäulnis zu erkennen ist.
Heute wird der Chardonnay gelesen, während die Pinot Noirs der gestrigen Lese in den Gärbottichen auf den Beginn der Vergärung warten. Das wird noch 3-5 Tage dauern, denn Urban hat die komplett entrappten Beeren zunächst mit Hilfe von Trockeneis stark heruntergekühlt. So mazerieren die Trauben etwas länger im eigenen Saft, was zu einer kräftigen dunkelbeerigen Aromatik und besserer Extraktion von Farbe und Inhaltsstoffen führt. Schon jetzt sind wir sicher: 2022 wird ein ähnlicher Pinot Noir Jahrgang wie der hervorragende 2020er.
Mit Klick auf das Foto sehen Sie den Entrapper in Aktion, denn bei uns werden die Stiele vor der Vergärung komplett entfernt und nur die Beeren vergoren.
Und hier sehen Sie welch schöne Bilder entstehen, wenn die Beeren mit dem Trockeneis gekühlt werden. Trockeneis ist ein festes Kohlenstoffdioxid (CO2) das sich aufgrund seiner besonderen Eigenschaften gut für Kühlanwendungen ohne Wasser eignet. Das Eis verdampft und verdrängt dabei den Sauerstoff, der zu nicht gewünschter Oxidation des Traubensaftes führen könnte. Also zwei Fliegen werden mit einer Klappe geschlagen.
Montag, 19. September 2022
Vor zwei Wochen haben wir mit der Lese begonnen, aber da der Rheingau seit dem 8. September sich im Griff eines Tiefdruckgebiets mit regelmäßigem Niederschlag und niedrigen Temperaturen befindet, sind erst maximal 15 % unserer Flächen geerntet. Zum Glück sieht die Wetterprognose für die nächsten Tage sehr gut aus, so dass wir nun zügig die restlichen Burgundersorten und bald auch die Rieslinge nach Hause bringen werden.
Das Bild hier zeigt Grauburgunder Trauben. Wussten Sie, dass reife Grauburgunderbeeren blau sind? Damit daraus ein Weißwein und nicht Roséwein entsteht, macht man keine Maischestandzeit und presst die Trauben sehr schnell nach der Ernte, denn die Farbe der Weintrauben sitzt ausschließlich in den Beerenhäuten und gelangt nur in den Saft, wenn die gelesenen und entrappten Trauben längere Zeit vor dem Auspressen stehen bleiben, oder gar wie beim Rotwein mit „Haut und Haaren“ gemeinsam vergoren werden.
Donnerstag, 29. September
Niemals hätten wir im Sommer vermutet, dass die Ernte länger als 4 Wochen dauern wird. Aber die Rieslingtrauben haben den Regen förmlich aufgesogen und so sind die Zuckerwerte wieder zurück gegangen. Unsere 15 Erntehelfer aus Rumänien, die bereits vor 4 Wochen nach Deutschland gekommen sind, müssen morgen nach Hause fahren. Die letzte Woche waren Sie vor allen Dingen mit der Vorlese und dem Entblättern beschäftigt. Entweder wurden die überreifen Trauben gelesen aus denen nun eine Spätlese entstehen wird, oder Sie haben die noch sehr grünen Trauben herausgenommen, damit die Reben die verbleibenden Trauben besser versorgen können.
Samstag, 8. Oktober
Eine sehr aufregende Lesezeit ging heute zu Ende. Zum Einen hielt uns das regnerische Wetter lange auf Trapp und dann hatten wir zwei Mal Probleme mit der Elektronik der Traubenpresse, bevor sie am Donnerstag komplett kaputt gegangen ist. Die letzten beiden Tagen haben uns zwei Nachbar Weingüter ausgeholfen. Die Trauben wurden in deren Weingüter gepresst und der Saft dann in 500 Ltr. Tanks per Stapler ins Weingut gefahren. Was für ein Aufwand! Und doch sind wir glücklich, so hilfsbereite Kollegen an der Seite zu wissen.
Montag, 10. Oktober
Heute wurden die Rotweine, die in Edelstahlbehältern vergoren wurden, von der Maische gezogen. Die Maische wurde ebenfalls zu unseren Nachbarn gefahren und dort ausgepresst. Jetzt ruhen die Weine noch etwas vor der Kellertüre, damit sich die Trubstoffe setzen können, bevor sie in ca. 1 Woche in die Holzfässer aus französischer Eiche gelegt werden.
Und nun unser kurzes Resümee des Jahres:
Das Jahr 2022 war von Mai bis September geprägt durch extreme Trockenheit und warme bis heiße Tage. Dadurch gab es kaum Probleme mit falschem oder echten Mehltau. Die Zeit des Pflanzenschutzes war, trotz des Weggangs unseres langjährigen Mitarbeiters im Außenbetrieb, entspannt wie nie.
Durch die hohen Temperaturen im August und die Trockenheit stiegen die Zuckerwerte der Trauben nicht ganz so schnell wie vermutet, aber am 5. September begannen wir dann doch im Vergleich mit anderen Jahren, sehr früh mit der Ernte der Pinot Noir Trauben.
Super gesunde Trauben, Top Werte, und selbst die Mengen waren mehr als erhofft.
Am 7. + 8. September fielen 20 Ltr. Regen, der von den Weinstöcken direkt aufgenommen und in die Beeren transportiert wurde. Halb so schlimm dachte man, das tut der Menge gut, aber als eine Woche später nochmals 40 Ltr. regnete war die Anspannung sehr groß. Platzen die Trauben oder verkraften sie das? Gibt es Fäulnis oder sogar eine Katastrophe? Dank den kühlen Nächte blieben die Trauben jedoch sehr gesund, aber die Öchsle sanken massiv in den Keller und die Wetteraussichten waren weiterhin regnerisch.
Soll man Rieslinge mit 80° Öchsle ernten? Die Trauben schmeckten gut, aber man musste sich von den analytischen Werten lösen und entscheiden ob man gesunde Trauben oder vielleicht ein paar Öchsle mehr ernten will.
Während viele Kollegen mit Vollgas die Rieslinge in den Keller holten, warteten wir einige Sonnentage anfangs Oktober noch ab und haben die Ernte nach 5 Wochen am 8. Oktober beendet.
Fazit:
• Ein sehr schöner Sommer mit sehr wenig Niederschlag
• Pflanzenschutz war kaum nötig
• Hohe Temperaturen im August brachten einen frühen Start in die Ernte
• Alle Pinot Sorten wurden mit guten bis sehr guten Werten geerntet
• Der Rieslingjahrgang wird mit moderaten Säure- und Alkoholwerten sehr konsumentenfreundlich werden.
• Es war unsere längste Ernte seit 2014 ( bisher hatten wir in 3 – 4 Wochen alle Weine im Keller )