Vor fast genau einem Jahr, Anfang März 2014, sind wir hier in das Gutshaus in Hattenheim gezogen. Auch wenn wir keinen Tag lang unsere Entscheidung bereut haben, so gab es doch nicht wenige angespannte Stunden, vor allen Dingen in den ersten Wochen und Monaten. Unsere beider Leben wurden einmal durcheinandergewirbelt und auf den Kopf gestellt. Kein Handgriff war mehr vertraut, selbst der Griff zu Zahnbürste am Morgen fühlte sich anders an und wo hatte ich nun wieder meinen Autoschlüssel hingelegt oder meine Schuhe abgestellt…
Im Laufe des Jahres trat dann selbstverständlich bei vielen Situationen und Arbeiten eine gewisse Routine ein, und irgendwann begann ich mich zu fragen, ob nun mein Leben vorher streßiger gewesen ist, oder ob das Winzerleben schwieriger und schneller ist. Die endgültige Antwort auf diese Frage habe ich noch nicht gefunden, aber alleine, wenn man spürt, dass man am „richtigen Platz“ angekommen ist, erträgt man manche Sorge und manchen Ärger etwas leichter.
Aber eines ist ohne Frage gleich schön geblieben: die vielen schönen und genussreichen Veranstaltungen und die vielen Begegnungen mit lebensfrohen Genussmenschen, die wissen, was es heißt für diesen Genuss manchmal auch hart arbeiten zu müssen.
So erlebten wir in der vergangenen Woche bei den Veranstaltungen des Rheingau Gourmet & Wein Festivals wieder so manches Highlight. Vor allen Dingen um die Veranstaltung „Die besten Deutschen Spätburgunder“ darf man uns gerne etwas beneiden. Alleine schon, dass wir unseren Wein hier „auf Augenhöhe“ mit allen Winzern die Rang und Namen haben präsentieren können ist herrlich, und dann diese Weinverkostung und das hervorragende Essen von Sebastian Lühr im Kronenschlösschen miterleben zu dürfen, ist dann tatsächlich beneidenswert.
Es ging los mit einem Flight Rheingauer Spätburgunder unter den ein Württemberger von Schnaitmann „gemischt“ war… Offensichtlich war Rainer Schnaitmann mit seinem Wein nicht sehr zufrieden und betonte das in seiner Weinansprache auch recht deutlich… Vielleicht war es aber auch nur ein Marketingtrick, denn er hatte mit seinem selbstkritischen Statement nicht nur die volle Aufmerksamkeit, sondern auch noch die Lacher der Gäste auf seiner Seite. Mir persönlich hat der erste Wein aus diesem Flight besonders gut gefallen – und das lag nicht daran, dass der Weinmacher Eckhart Waitz, der diesen Wein 2012 bei Weingut Diefenhardt erzeugt hat, heute bei uns im Weingut arbeitet….
Im zweiten Flight wurden 4 Rheingauer serviert, und an letzter und vierter Stelle der 1999er Johann Maximilian R aus der Doppelmagnum. Obgleich wir den Wein noch im Januar bei der Hommage an Hans Lang verkostet hatten und Mario Scheuermann ihn auch sehr gut bewertet hat, erschien er in der Reihe der (zu) jungen 2011er und 2012er Kollegen doch sehr gereift in der Nase. Am Gaumen war er durchaus noch sehr straff und harmonierte auch gut zu den Ochsenschwanzraviolis, aber wir haben daraus gelernt, dass wir solch besondere Raritäten nur noch als „Solokämpfer“ auf die Reise schicken werden… Sobald mehrere Weine gleichzeitig nebeneinander gezeigt werden, ist jeder automatisch versucht zu vergleichen und beim Vergleich gibt es immer ein „besser“ und ein „schlechter“… Damit wird man Weinen aus der Schatzkammer leider nicht gerecht….
Besondere Herausforderung für Urban war der erste Hauptgang. Es gab nämlich Täubchen und diese sieht Urban bekanntlich lieber fliegen, als auf seinem Teller. Aber selbst er mußte zugeben, dass das Gericht hervorragend war… Die 2012er Weine von Kleinmann (Pfalz), Meyer-Näkel (Ahr) und Seeger (Baden) waren so unterschiedlich wie sie nur sein können und jeder ein Charakter für sich.
Ich muss zugeben, dass meine Konzentration durch das viele hin- und herprobieren mit den nächsten Flight (ein Weinflight ohne Essen) dann schon etwas nachlies, genauso wie meine Notizen dazu auf der Menükarte. Deutlich in Erinnerung ist mir der 2009 Spätburgunder „A“ von Franz Keller geblieben, der mein Favorit war, zwischen dem 2009er Herrenberg GG von Stodden und dem 2003 Rhini von Ziereisen…
Sinnstiftend für ein Rotweinmenü, war es, dass anstelle eines Desserts ein zweiter Hauptgang serviert wrude. Das Rinderfilet war so perfekt zubereitet, dass es offensichtlich meine ganze restliche Aufmerksamkeit für sich beansprucht hat, denn ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich mich an die Eigenheiten der letzten vier Weine von Huber, Knipser, Fürst und Molitor nicht mehr erinnern kann, denn aufgeschrieben habe ich dazu gar nichts mehr.
Und dass ich nach diesem übervollen genußreichen Nachmittag für den Rest des Tagens nicht mehr allzu leistungsfähig war, glaubt mir wohl auch jeder sofort….
Ich sag ja, ein hartes Winzerleben ist das….
Für die Rotweinflecken auf der Karte bin ich aber nicht verantwortlich….!