Am Montag (28.09.) fingen wir mit der Lese endlich an. Doch Urban war noch nicht richtig zufrieden mit der Reife der Trauben. Die Oechsle Grade bewegen sich bei den Burgundern um die 90 Grad und darüber. Werte die ideal sind, und die wir im letzten Jahr kaum erreicht haben. Aber den Trauben fehlt noch Aroma, die Kerne und Schalen lösen sich noch nicht richtig vom Fruchtfleisch und die Säuren sind noch sehr hoch. Kurz, die sogenannte physiologische Reife ist noch nicht vorhanden.
Gestern Nachmittag wurden dann nur noch Blätter entfernt und nachdem Urban sich mit Dirk Würtz, einem Nachbar-Kollegen, ausgetauscht hatte, beendete er die Lese bis zum Montag. Das war eine riesige Enttäuschung, denn erst am Montag waren 5 Freunde aus Augsburg, Hamburg und der Schweiz angereist, die bis zum Samstag bleiben und helfen wollten. Auch 4 Rumänen waren traurig, dass sie nun 5 Tage lang nichts zu tun haben sollten.
Nach dem Abendessen, das in ziemlich verhaltener Stimmung ablief, diskutierten wir mit den Freunden über das Alternativprogramm. Blätter entfernen, Unkraut auf der Terrasse jäten, Keller streichen 🙂 …. oder doch lieber Sightseeing-Tour im Rheingau oder gleich heimfahren…? Ist Urban wirklich ganz sicher, dass er die Ernte aussetzen will? Werden die Säurewerte überhaupt noch nennenswert nach unten gehen und werden die Oechslegrade nicht zu hoch und die Weine damit zu alkohollastig?
Urban, und ich auch, war hin und her gerissen. Nächste Woche meldet der Wetterbericht wieder etwas Regen und vom letzten Jahr wissen wir, wie schnell ein gesunder Weinberg dann doch von der Fäulinis befallen wird. Fritz Groebe, ein Kollege aus Rheinhessen, beschwörte ihn, trotz der Säurewerte zu ernten. Immerhin braucht es ja auch Basisqualitäten. Für die Topqualitäten kann man dann immer noch um das Wetter pokern und die gesündesten Weinberge hängen lassen. So sah es auch Wilhelm Weil, während Andy Spreitzer morgen erst ganz allmählich mit der Ernte beginnen wird.
Kurzum, um ca. 23 Uhr entschied Urban, dass morgen mit der kleinen Mannschaft (die 10 Polen haben anderweitig Beschäftigung gefunden) gelesen wird. Und schon war die Stimmung wieder ausgelassen, wie jeden Abend!
Um 7.00 Uhr heute morgen fuhr Urban in den Weinberg und erntete die Trauben eines ganzen Rebstocks um die Zucker- und Säurewerte sicher bestimmen zu können. Der Weißburgunder hatte 97 Grad, und am Ende als alles gelesen war, waren es immer noch 94. Perfekt! Und die Säure werden wir auch noch gezügelt bekommen…
Unser Fazit dieses holprigen Lesebeginns: Wenn einem selbst die Erfahrung fehlt ist es beruhigend, sich mit Kollegen auszutauschen. Jedoch wird es dann wieder beunruhigend, wenn die Meinungen der Kollegen extrem weit auseinander gehen. Doch am Ende weiß man: es gibt keine „Wahrheit“, und insofern kann man auch nichts falsch machen.
Die echte Wahrheit und Klarheit kennt nur unser Herrgott. Und um dieser Wahrheit so nah wie möglich zu kommen, muss man ganz tief in sich hineinhören. Die Entscheidung, die man dann trifft, ist garantiert immer die Richtige….
Dazu passt übrigens ganz wunderbar, der Spruch den ich, anlässlich eines erneut wunderbar beseelten Seminars von Stefan Röder vom Team Benedikt, letzte Woche im Kloster Frauenberg gelesen habe: